Experteninterview zu Innovationen in der Hernien­chirurgie

Sehr geehrter Herr PD Dr. Köhler, können Sie uns kurz beschreiben was man unter einer Hernie versteht?
Eine Hernie beschreibt einen Defekt in der Bauchwand mit Austritt von Eingeweiden aus der Bauchhöhle. Hernien können im gesamten Bereich des Bauches auftreten. Am häufigsten sind sie an der Leiste, am Nabel und innerhalb der Bauchhöhle im Bereich des Zwerchfells. Österreichweit treten jährlich ca. 35.000 Hernien auf. Davon werden j ca. 800 im Hernien-Referenz-Zentrum im Ordensklinikum Linz versorgt.

Welche Möglichkeiten und Innovationen gibt es im Bereich der Implantate für die Versorgung von Hernien?
Die Hernienchirurgie hat in den letzten 20 Jahren eine dynamische Entwicklung durchlaufen. In der Regel werden Hernien heute mittels der Einlage von Netzen unter Zuhilfenahme unterschiedlicher offener oder minimal invasisver Techniken bzw. OP-Verfahren versorgt. Innovationen und Neuerungen gibt es beispielsweise was die Arten der eingesetzten Netze betrifft. Hier gibt es neben permanent im Körper verweilenden Netzen seit einigen Jahren auch die Möglichkeit biosynthetische resorbierbare Implantate einzusetzen.

Welche Vorteile haben biosynthetische Netze gegenüber permanenten Netzen?
Biosynthetische Netze wie zum Beispiel das Phasix Mesh haben den Vorteil, dass sie nicht dauerhaft im Körper verweilen sondern nach einer Zeit von 12-18 Monaten kontrolliert im Körper abgebaut und gleichzeitig durch Bindegewebe ersetzt werden. In klinischen und präklinischen Studien konnte gezeigt werden, dass das Phasix Mesh eine hohe bakterielle Widerstandsfähigkeit hat und nach einem Testzeitraum von 18 Monaten mit einer geringen Rate an Hernienrezidiven vergesellschaftet ist.

In welchen Indikationen würden Sie den Einsatz eines biosynthetischen Netzes empfehlen?
Das Phasix Mesh kann sowohl bei Leisten- als auch bei Bauchwandhernien eingesetzt werden. Besonders bei Patienten mit erhöhten Risikofaktoren für Wundinfektion oder schlechter Wundheilung kann man an den Einsatz eines biosynthetischen Netzes wie das Phasix Mesh denken. Auch gefürchtete Langzeitkomplikationen wie Fisteln oder chronische Schmerzen können so definitiv vermieden werden. Des Weiteren können biosynthetische Netze auch präventiv eingesetzt werden, um Hernien gar nicht erst aufkommen zu lassen. Allerdings muss selbstverständlich vor jeder Operation individuell und den Anforderungen und Risikoprofils des Patienten entsprechend entschieden werden, welche Art von Netz in welcher Technik zum Einsatz kommt.

Was sind Ihre persönliche Erfahrungen mit dem Phasix Mesh?
Ich habe bisher in etwa 50 Phasix Netze in unterschiedlichsten Indikationen eingesetzt und in kontrollierten Nachbeobachtungen bislang keine netzassozierten Probleme erkennen müssen.

Wo sehen Sie Innovationen was Techniken in der Hernienchirurgie betrifft?
Innovationen und Neuerungen findet man vor allem im Bereich von Hernien für die es derzeit keine Standardversorgung gibt. Beispiele hierfür sind neue vordere und hintere Komponentenseparationstechniken bei komplexen Hernien, Versorgungen von Brüchen an künstlichen Darmausgängen und die ELAR-Technik welche bei Bauchwandhernien mit begleitenden Rekusdiastasen zum Einsatz kommt.

Bei welchen Patienten wenden Sie die ELAR-Technik an und wo liegen die Vorteile dieser Technik? ELAR steht für „Endoskopisch assistierte Linea Alba Rekonstruktion“. Sie eignet sich für Patienten, die eine Nabel- bzw. Trokarhernie oder eine epigastrische Hernie und zusätzlich eine Rektusdiastase von mehr als zwei Zentimetern haben. Die Versorgung der Hernien allein mit Naht führt durch die instabile Mittellinie zu erhöhten Rezidivraten, so dass eine Netzversorgung indiziert ist. Bei der ELAR-Technik verwende ich Phasix, um eine stabile Versorgung zu erreichen und zugleich das Risiko von netzbedingten Komplikationen zu minimieren. Der Gedanke keinerlei permanentes Fremdmaterial im Körper zu belassen wirkt für mich als Arzt verantwortungsvoll und für die Patienten beruhigend.

 

PD Dr. Gernot Köhler, MSc
Leiter des  Hernien-Referenz-Zentrums im Ordensklinikum Barmherzige Schwestern in Linz

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Erschienen im Vinzenzmagazin 2019, genehmigt von Fa. Bard Davol