Patienten, deren Bauchwandbrüche komplexe Eingriffe erfordern, werden von OA OA Priv. Doz. Dr. Gernot Köhler MSc und seinem Team in Österreichs einzigem zertifizierten Hernien-Referenzzentrum behandelt.Foto: © Ordensklinikum Linz
In der chirurgischen Behebung von Nabel- und Narbenbrüchen gibt es zwei Standardverfahren, die beide erhebliche Nachteile haben. Bei einer Variante kann das zu implantierende synthetische Netz optimal positioniert werden, es ist aber ein großer Schnitt am Bauch erforderlich. Wird mittels schonender Knopflochchirurgie operiert, muss das Netz in der Bauchhöhle positioniert werden, was ebenfalls zu Komplikationen führen kann. Die Chirurgen des Referenzzentrums für Hernienchirurgie am Ordensklinikums Linz Barmherzige Schwestern haben nun eine innovative Lösung entwickelt.
Bei der neuen Methode handelt sich um die sogenannte eTEP-Technik. Mit ihr gelingt es, in geeigneten Fällen bis zu 40cm lange und 15cm breite Netze mit lediglich 4 kleinen Schnitten von 5 bis 20 Millimetern Länge zwischen den Bauchwandschichten zu positionieren. Dafür werden stabförmige zylindrische Ballons verwendet, mit deren Hilfe man durch Aufblasen mit Luft das Gewebe schonend dehnen kann. Konventionelle Operationen erfordern einen Schnitt von 20 bis 30 cm Länge und einen stationären Aufenthalt von 10 bis 14 Tagen. „Durch unsere Methode ist der postoperative Schmerz drastisch verringert und die Rekonvaleszenz deutlich verkürzt. Der Patient darf am ersten postoperativen Tag bereits aufstehen und kann üblicherweise am vierten Tag nach der OP nach Hause gehen“, erklärt OA Priv. Doz. Dr. Gernot Köhler MSc. Er leitet am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern das einzige zertifizierte Referenzzentrum für Hernienchirurgie in Österreich.
OP bei Bauchwandbrüchen
Bauchwandbrüche, in erster Linie Nabel- und Narbenbrüche, müssen heutzutage sehr oft mit synthetischen Netzen operiert und verstärkt werden, da bei Nähten des körpereigenen Bindegewebes die Rückfallraten, also ein neues Aufreißen des Gewebes, sehr hoch sind.
Die beste Netz-Lage ist außerhalb der Bauchhöhle hinter der Muskulatur, weil sich dort das Netz ideal in die Bauchwand integrieren kann und keine Gefahr von Verwachsungen mit Darmstrukturen besteht. Die betreffende Operation wird im Fachjargon als „Sublay“ bezeichnet. Ihr Nachteil: Sie benötigt einen großen, in der Regel mittig gelegenen Bauchschnitt, der hinsichtlich Wundheilung, Blutungen oder Infektion Probleme machen kann. Der Vorteil der knopflochchirurgischen Variante, die als „IPOM“ bezeichnet wird, ist die Vermeidung dieses großen Schnittes durch Mini-Zugänge, durch die Instrumente unter Kamera-Sicht eingebracht werden. Nachteilig ist jedoch die Netzposition in der Bauchhöhle am Bauchfell mit Nahebezug zu Organen und Darmstrukturen, wodurch problematische Verwachsungen entstehen können.
Neueste Werkzeuge und OP-Techniken erleben im Referenzzentrum für Hernienchirurgie ihre klinische Premiere in Österreich. Foto: © Ordensklinikum Linz
Neue Methode kombiniert Vorteile zweier Verfahren
„Wir haben neue Techniken entwickelt, die es möglich machen, über knopflochchirurgische Minischnitte die Netze dennoch außerhalb der Bauchhöhle, also zwischen den Bauchwandschichten zu platzieren – also das sogenannte Sublay Verfahren knopflochchirurgisch zu realisieren. Das ist ein ganz erheblicher Gewinn für unsere Patientinnen und Patienten“, freut sich Doz. Dr. Gernot Köhler. Er und sein Team haben sich diese hochmodernen und schonenden, in Österreich noch weitgehend unbekannten, Techniken durch Aufenthalte in London, Berlin und Straßburg angeeignet und wenden sie seit gut eineinhalb Jahren an. Basierend darauf haben die Experten die Weiterentwicklung einer Methode aktiv gestaltet, in der Fachwelt veröffentlicht und auf Kongressen präsentiert.
Die eTEP-Technik macht eine schonende und gleichzeitig optimierte Platzierung synthetischer Bauchnetze möglich. Foto: © Ordensklinikum Linz
Individuelle Vorbereitung nötig
Diese Technik ist nicht für jeden Patienten und jeden Bauchwandbruch geeignet. In Abhängigkeit von der Bruchlokalisation, Größe und Größenverhalten, Bruchinhalt, Aufbau der übrigen Bauchwand, Integrität des Haut- und Weichteilmantels, Körpergewicht, Begleiterkrankungen, Risikoprofil, Darmbeteiligung, Voroperationen und ähnlichen Einflussfaktoren wird für jeden Patienten ein individueller Behandlungsplan erstellt. Zuweilen ist es nötig, durch sogenannte „Präkonditionierung“ die Voraussetzungen für die Operation zunächst zu verbessern. Dazu können neben Gewichtsabnahme (wenn nötig auch durch chirurgische Maßnahmen), Rauchstopp, Blutzuckeroptimierung und ähnlichen Lifestyle-Änderungen auch die Applikation von Botox in die Bauchwand oder deren langsame Dehnung durch tägliche Luft-Insufflation, also ein sukzessives Aufblasen der Bauchhöhle, gehören.
Einziges Referenzzentrum in Österreich
Als einziges zertifiziertes Referenzzentrum für Hernienchirurgie Österreichs ist das Team in der Lage, alle relevanten Verfahren zur Optimierung der Gesamtsituation und alle operativen Techniken mit höchster Expertise anzubieten, die heute für eine umfassende Behandlung von Patienten mit verschiedensten Bauchwandbrüchen erforderlich sind.
„Darüber hinaus dürfen wir durch unseren Zertifizierungsstatus oftmals als erste in Österreich neue industrielle Entwicklungen und Netzmaterialien anwenden. So sind bei uns bereits seit rund drei bis vier Jahren neuartige, synthetische, aber vollresorbierbare Netzmaterialien in Anwendung. Sie haben den Vorteil, dass keinerlei Fremdmaterial dauerhaft im Körper der Patienten verbleibt“, so Zentrumsleiter Köhler.
Etwa 700 Fälle pro Jahr werden am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern gezählt, die Zahlen steigen sukzessive an. Das liegt unter anderem auch an den multimodalen neuen Möglichkeiten in der chirurgischen Onkologie. „Es werden heute Krebsfälle operiert, die vor Jahren noch konservativ behandelt wurden“, betont Köhler, „Gleichzeitig hat sich unser Hernien-Referenzzentrum einen sehr guten Ruf bis weit über die Landesgrenzen erarbeitet. Patienten aus anderen Bundesländern und sogar dem benachbarten Ausland entscheiden sich bewusst für einen Eingriff am Ordensklinikum Linz.“ Häufig handelt es sich dabei um Rezidivbrüche, bei denen die Bauchwand vernarbt ist und bereits ein Implantat gesetzt wurde. Sehr große, breite Defekte, bei denen spezielle Verschiebeplastiken der Bauchwand zum Einsatz kommen, sind ebenfalls ein Fall für das Referenzzentrum, da dafür aufwändige OP-Techniken nötig sind. Ebenso zählen kontaminierte Hernien, etwa aufgrund einer Darmfistel, oder Stomabrüche zu den besonderen chirurgischen Herausforderungen.
Weitere Informationen zum Hernien-Referenzzentrum unter www.ordensklinikum.at/hernien-referenzzentrum/